Wer bin ich heißt, ich weiß woher ich komme

Unser Foto zeigt ein kleines Bächlein, das über einen Felsen talwärts plätschert. Es hat sicherlich unscheinbar begonnen, dann kam immer wieder ein weiterer kleiner, vielleicht sogar unscheinbarer Zufluss hinzu. Was wir als Bächlein betrachten, ist eine Sammlung von fließendem Wasser aus ganz unterschiedlichen Quellen. Woher einzelne Wasserteilchen genau herkommen, kann man so nicht erkennen, weil sich alles miteinander vermischt hat.

Das fließende Wasser kommt in Berührung mit unterschiedlichen Stoffen und Lebewesen, was meist nicht sichtbare Spuren hinterlässt. Mit Analysegeräten jedoch kann festgestellt werden, was alles im Verlauf aus der Umgebung aufgenommen wurde, je länger, umso mehr. Für mich ist das ein besonderes Bild bei der wesentlichen Frage, wer bin ich. Alle Erlebnisse, alle Begegnungen, alles hinterlässt Spuren in meinem Leben und haben mich zu dem gemacht, der ich heute bin. Dass die existentielle Frage „wer bin ich?“ nicht einfach ist, sondern sehr tiefgreifend, steht schon in den Psalmen (139,23): „Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne, wie ich’s meine.“

Verzeihung braucht den Perspektivwechsel

Bei dem Spruch habe ich mich lange gefragt, was ist das Besondere am Verzeihen, das den Menschen so schön machen soll? Verzeihen heißt nicht, einem Thema aus dem Weg zu gehen, heißt auch nicht, alles einfach unter den Teppich zu kehren bzw. einfach Schwamm drüber.

Verzeihen heißt, ein schwieriges Thema, aufzuarbeiten gemeinsam mit dem / den  direkt Beteiligten. Wenn dies in einem bzw. mehreren guten Gesprächen gelingt, führt das zwangsläufig dazu, dass das Verständnis zum Gegenüber größer wird, wir sagen heute Perspektivwechsel dazu, mit den Augen des anderen das Thema zu betrachten, das hilft nicht nur bei der Lösung, sondern führt zu einer inneren Reifung, weil die eigene Sichtweise keinen Absolutheitsanspruch mehr erhebt.

Dasselbe geschieht, wenn wir mit Gott über eigene Schuld sprechen, auch hier ist ein Perspektivwechsel möglich: meine Welt mit den Augen Gottes zu betrachten. Wieder ein Perspektivwechsel, der hilft, dass das, was im Vaterunser gebetet wird, besser geschehen kann: „… und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern“.

Arm ist, der nicht hat, was das Leben ausmacht

Es ist bedenklich zu beobachten, was Menschen alles tun, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Es scheint wie eine Droge zu sein, nach der sie süchtig sind und die sie in regelmäßigen Abständen brauchen, sonst fallen sie in ein tiefes Loch.

Andere vergeuden viel Geld, um einfach immer mehr zu haben als andere, an denen sie sich messen. Auch dieser Zustand / Rausch hält immer nur eine gewisse Zeit, dann muss es wieder etwas Neues geben.

Reich ist der Mensch nur, der das hat oder besser das lebt, was er wirklich braucht. Ein Mensch braucht gute Beziehungen, die durch offenen Austausch und Wertschätzung gekennzeichnet sind. Ein Mensch braucht ein gutes Maß an Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, was sich entwickeln kann in guten Beziehungen, manche dürfen dies bereits in ihrer Kindheit erleben. Auch der christliche Glaube, mit dem Bild Gottes als liebendem Vater, ist eine gute Möglichkeit für solche Erfahrungen. Es gibt zahlreiche Bibeltexte, in denen die Liebe Gottes als unvorstellbare Liebe zu jedem Menschen beschrieben ist. Vielleicht kommt gerade jetzt so ein Text in Erinnerung.

Verbundene Seelen werden sich ähnlicher

Fast wöchentlich erreichen uns Nachrichten von Gewalttaten durch Menschen, die sich einer Ideologie verschrieben haben oder von ihrem inneren Hass getrieben werden. Ich frage mich, was treibt Menschen zu solchen Taten, fehlende Umarmungen in der Kindheit? In der Kindererziehung schafft der Körperkontakt eine Brücke, die das Kind und genauso die Eltern so öffnen, dass manches gar nicht groß offiziell geregelt werden muss, sondern sich in einem normalen Gespräch ergibt. Unser Spruch beschreibt das, was sich bei erwachsenen Menschen in inniger Beziehung mehr oder weniger automatisch ergibt – sie werden sich durch ihre gemeinsamen Erfahrungen immer ähnlicher. Übertragung auf die Gottesbeziehung: Manche meinen, es kommt dabei im Wesentlichen darauf an, so gut wie möglich Vorschriften und Gebote einzuhalten. Nach meiner Überzeugung geht das in die falsche Richtung. Das Evangelium (gute Nachricht) ist das Angebot, eine ganz persönliche und tiefgehende Beziehung mit Gott zu erleben, so wie ihn Jesus in der Bibel darstellt, alles andere ergibt sich daraus.

Beziehungen leben und verstehen

Beziehungen gibt es in vielfältiger Natur. Eltern-Kind, Freundschaft, Partnerschaft, Liebesbeziehung, soziale Beziehungen, Gottesbeziehung … So unterschiedlich alle auch sein mögen in ihrer Art, haben sie eines gemeinsam, was unser heutiger Spruch ausdrückt. Dazu die Geschichte zum heutigen Bild: Eine Gratwanderung vom Wallmendinger Horn zum Ochsenhofer Köpfle. Ein ständiges Auf und Ab, man sieht den höchsten Punkt und denkt, jetzt ist es geschafft, dann geht es wieder abwärts und manchmal sogar auf allen Vieren, bevor es wieder aufwärts geht, was manchmal wenig anstrengend ist, manchmal aber die ganze Konzentration fordert. So ist es in jeder Art von Beziehung, auf und ab gehören dazu, auch wenn manche Phase sich in die Länge zieht. Das Besondere daran ist, dass man meistens erst im Rückblick wirklich das Gute der Hochs und Tiefs erkennt. Ganz besonders gilt das für die Gottesbeziehung, es mag Phasen geben, in denen man sich von Gott verlassen fühlt, man hält sich an allem fest, was irgendwie Halt geben kann. Im Rückblick erkennt man, wie besonders nahe Gott in dieser Situation war.