… dann ist Weihnachten

Eine außergewöhnliche Adventszeit geht zu Ende. Kein Einkaufsstress, kein Adventfeierstress – Termine überschneiden sich dieses Jahr nicht – Besinnlichkeit und Ruhe seit dem ersten Advent. Die Rückbesinnung auf die wesentlichen Dinge, die keine Dinge sind, war möglich. Jetzt steht der Höhepunkt an, den Gott uns geschenkt hat. In der dunkelsten Jahreszeit hat er uns Licht entzündet, das bis heute leuchtet. Der Sohn Gottes kam aus Liebe zu uns in unsere Welt. Lasst uns diese besondere Zeit genießen und feiern im Kreis der Kernfamilie und über Weihnachten hinaus, denn jedes Mal, wenn wir Liebe und Verständnis einander entgegenbringen, ist WEIHNACHTEN.

Die wichtigsten Dinge im Leben sind keine Dinge

Wenn man „wichtige Dinge“ googelt findet man u.a. folgende Zitate:

  • Zu einem großen Manne gehört beides: Kleinigkeiten als Kleinigkeiten und wichtige Dinge als wichtige Dinge zu behandeln.
  • Das erste aller wichtigen Dinge ist, nicht das Gewissen zu betrügen.

Wir merken, wichtige Dinge im Leben sind keine Gegenstände (Dinge), „wichtige Dinge“ sind gute Beziehungen, Umarmungen und Begegnungen, Nähe. Wie sehr wir davon leben, erleben wir gerade in dieser Zeit bei jedem Telefonat, jeder Videosession jeder kurzen Begegnung.

Wir erleben ebenso, dass gute Beziehungen „Bestand“ haben über Jahre hinweg, selbst wenn der Kontakt unterbrochen war. Schnell knüpft man an gute frühere Begegnungen wieder an.

Damit erleben wir die Dimension der Aussage von Paulus Was bleibt, sind Glaube, Hoffnung und Liebe.“ (1. Kor 13).

Und wir spüren ebenfalls, wie wahr die zweite Aussage ist: „Von diesen dreien aber ist die Liebe das Größte.“ Wir wünschen allen gute Begegnungen, viel Nähe auch bei räumlicher Distanz.

Erfahrungen sind wirksamer als Regeln

Auch wenn man es schon fast nicht mehr hören will, die Advents- und die Weihnachtszeit ist dieses Jahr ganz anders als sonst. Die AHA-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske) schützen uns einerseits, anderseits schränken sie Begegnungen und positive Erfahrungen drastisch ein. Leben lebt ganz wesentlich von positiven Erfahrungen, die auch unter diesen Umständen möglich sind, halt anders als sonst. Wir sind dieses Jahr sehr viel stärker gefordert uns bewusst zu machen, wo Gutes erlebt werden kann, wo man kreativ werden kann, um etwas Schönes selbst erleben zu können oder auch kreativ zu werden, wie man anderen eine kleine Aufmerksamkeit oder Freude machen kann. Jesus sagt: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch!“ (Matth. 7,12). Wir sollten speziell in dieser Zeit unsere Erwartung nicht senken, sondern besonders hoch schrauben. Wir wünschen allen viel Freunde und Kreativität, ganz besonders Gottes Segen und das Spüren seiner Nähe.

Advent = warten auf die sich öffnende Tür

Es ist ein starkes Bild von Dietrich Bonhoeffer: Advent = Warten auf die sich öffnende Tür zur Befreiung aus der Gefangenschaft. Die ganze Welt wartet derzeit auf die Befreiung aus der Gefangenschaft dieses unsichtbaren, teilweise tödlichen Virus, das alle Lebensbereiche drastisch einschränkt. Die für das Leben existentielle Beziehungspflege ist in diesen Tagen nochmals weiter reduziert worden. Geburtstage, Hochzeiten, Familienfeiern wie Weihnachten, aber auch Trauerfeiern, nichts ist mehr so, wie es einmal war. Alle warten sehnsüchtig auf die Zeit ohne das unsichtbare Virus. Warten ist eine Tätigkeit, die gelernt sein will. Vielen liegt das Warten nicht, haben dazu keinen Nerv, ich selbst gehöre dazu. Vielleicht ist 2020 die einmalige Chance, die Adventszeit als besinnliche Zeit erleben zu können, nicht abgelenkt zu sein vom Trubel der Weihnachtsmärkte und -feiern im Betrieb und Vereinen… Zeit haben zum Warten, um Ruhe zu finden und auszuhalten, eingekehrt sein, so dass wir rückblickend sagen können, diese Adventszeit war eine gesegnete Zeit. Das wünschen wir allen, auch uns selbst.

Ich suche nicht, ich finde

An einem Gebetsabend habe ich im Gespräch spontan das heutige Zitat Pablo Picassos verwendet. Thema war „wie finde ich die Menschen, die Hilfe benötigen und denen ich helfen kann“. Da ich mit dieser Aussage ziemlich alleinstand, habe ich mir anschließend überlegt, schwingt hier evtl. Arroganz mit? Wenn „ich suche“, fokussiere ich mich und hab damit bereits eine Eingrenzung vorgenommen. Diese Fokussierung reduziert meine Aufmerksamkeit automatisch in anderen Bereichen. In der Aussage „ich finde“ gehe ich mit offenen Augen durch die Welt. Ich suche nichts Bestimmtes und bin daher für vieles offen. Hin und wieder kommt eine Idee, die als Hilfe für andere umgesetzt werden kann. So verstehe ich auch die von Jesus beschriebene Gruppe in Matth. 25, der gar nicht bewusst war, wo sie überall geholfen haben – sie haben einfach Nöte (Krankheit, Hunger, Gefangenschaft) gesehen und darauf reagiert. Die kommende, eigentlich besinnliche Zeit lebt ganz besonders von Menschen, die mit offenen Augen durch die Welt gehen.

Sag mir, für wen du dich hältst…

…Der Inkompetente tritt immer als Fachmann auf, der Grausame als Barmherziger, der Sünder als Frommer, der Wucherer als Wohltäter, der Schäbige als Patriot, der Arrogante als Demütiger, der Plebejer als edler Herr und der Einfaltspinsel als Intellektueller.“ (aus dem Roman „Das Spiel des Engels“)

Wie schwer es ist, im Umfeld solcher Menschen (über-) leben zu können, verdeutlich Jesus in der Geschichte vom Pharisäer und dem Zöllner mit einer gnadenlos ehrlichen Einleitung. „Jesus wandte sich nun an einige, die in ´falschem` Selbstvertrauen meinten, ´in Gottes Augen` gerecht zu sein, und die deshalb für die anderen nur Verachtung übrig hatten … (Lk. 18,9)

Jesus durchschaut die Schauspieler und stellt sie bloß, das hat er mit seinem Leben bezahlen müssen, denn rüttelt jemand an solch einem Fassadengebäude, wird wahnsinnig viel Energie aktiviert – es geht hier immer um Leben und Tod.

Es hilft uns, solche Systeme zu durchschauen, um sich vor solchen Menschen so gut es geht zu schützen, um weiter im Vertrauen zu Gott, zu sich selbst und zu seinen Nächsten in guter Beziehung leben zu können.

Wir sind vielleicht Gegner, aber wir sind keine Feinde

Es ist erstaunlich, wie die Anzahl der Gläubigen massiv ansteigt. Selten gab es so viele, die glaubten, dass nur sie den wahren Durchblick haben oder sogar im Besitz der Wahrheit sind und deshalb mit Überzeugung alle Andersdenkenden als Lügner betrachten oder sogar als Feind bekämpfen.

Am Wochenende hatte ich eine lebhafte Diskussion mit meinem jüngeren Sohn. Irgendwie sind wir auf das Thema Ordnung gekommen. Er hat mir nebenbei empfohlen mein Arbeitszimmer mal richtig aufzuräumen. Das hat gesessen, ich habe ihm heftig widersprochen mit richtig guten Argumenten, aber er hat genauso wie ich nicht mit guten Argumenten gespart, so dass wir keinen Konsens gefunden haben. Hatten wir deshalb Streit, nicht die Bohne, aber das Thema hat nachgewirkt, und ich habe mich gefragt, was ist das Thema hinter dem Thema bei mir und meinem Sohn. Tage später sind mir wertvolle Einsichten über mich selbst gekommen, ohne dass sich am Ordnungsgrad im Arbeitszimmer etwas geändert hat.

Andersdenkende Menschen, die zu ihrer Meinung und Position stehen und argumentativ vertreten können, sind wertvolle Menschen, die notwendig sind, um persönlich reifen zu können.

Alles im Leben als Geschenk sehen

Mit Entsetzen habe ich die Äußerungen eines amtierenden Präsidenten nach der Wahl mitbekommen. „Ich nehme mir was ich will, alle, die mich nicht willenlos unterstützen, sind Betrüger und Feinde der Demokratie.“ Fazit, nur der ist erfolgreich, der skrupellos sich nimmt, was er will und sein eigenes Verhalten anderen unterstellt. Das steht im krassen Kontrast zum heutigen Spruch. Ein tiefes und erfolgreiches Leben hat der, der alles im Leben als Geschenk sieht. Auf ein Geschenk habe ich keinen Anspruch, genau dies bewirkt Zufriedenheit und Dankbarkeit. Was Gott uns anbietet ist ein Geschenk; er bietet uns Leben an, das über den zwangsläufigen Tod hinausreicht. Auch hat Gott jeden Menschen mit Gaben und Fähigkeiten beschenkt, aus denen der Mensch viel oder mit denen auch mancher (vorerst) nicht viel anfangen kann. Je mehr wir Gottes Geist an uns wirken lassen, umso mehr spüren wir, dass alles im Leben ein Geschenk ist. Das bringt Lebensqualität und innere Ruhe, in der sich Gottes Liebe spiegeln wird.

Glückliches Leben leben

An dem Spruch von Albert Einstein gefällt mir, wie einfach das Verlangen nach einem glücklichen Leben erreicht werden kann.

Jesus stellt das menschliche Verlangen nach einem glücklichen Leben ganz an den Anfang seiner Wirksamkeit. Seine Grundsatzpredigt beginnt mit „glücklich sind…“ und dies gleich 9 Mal. Damit steckt Jesus gleich den Rahmen ab, in dem sich der christliche Glaube bewegt, es geht ums glücklich sein.

Jesus verknüpft dieses glücklich sein nicht mit Dingen oder Menschen, wie „glücklich darf sein, wer eine schöne Wohnung besitzt“ oder „glücklich darf sein, wer einen lieben Partner oder liebe Kinder oder Eltern hat“.

Das „nachhaltige“ Glücklichsein steht über den Dingen und Menschen. Glücklich sind, die Trost finden in Traurigkeit, die freundlich und bescheiden sein können, die sich nach Gerechtigkeit sehnen, die barmherzig sind, die ein reines Herz haben und sich um Frieden bemühen, ja selbst wer angeprangert wird aus genau diesen Gründen darf sich glücklich schätzen. Mit diesen Aussagen wird auch deutlich, jeder Gläubige entscheidet selbst, ob er glücklich ist oder nicht, ein super Angebot – herzlichen Dank dafür.

Die Lichtgestalt…

Eine Lichtgestalt wird angesehen als Heilsbringer, Hoffnungsträger oder Idol. Als Beispiel wird häufig Nelson Mandela oder Mahatma Gandhi genannt. In Deutschland galt lange Zeit unser „Kaiser“ als Lichtgestalt, bis nach und nach Details der Fußballweltmeisterschaft 2006 „ans Licht“ kamen. Es scheint ein breites Bedürfnis der Menschen nach einer Lichtgestalt zu geben, was den Erfolg mancher Inszenierung erklärt, wo zwielichtige Typen mit Pathos das Scheinwerferlicht auf sich ziehen, um gleichzeitig andere in den Schatten zu stellen. Einmal den Strom abschalten – aus ist es mit der Lichtgestalt. Jesus sagt, nachdem er von besonders Frommen mit einer zwielichtigen Situation konfrontiert hatte: »Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, braucht nicht im Dunkeln umherzuirren, denn er wird das Licht haben, das zum Leben führt.« (Joh. 8,12) Hier spricht eine Lichtgestalt, die keinen Scheinwerfer braucht, sie stellt andere auch nicht in den Schatten, um noch mehr zu leuchten, sondern verspricht gerade Menschen Orientierung zum Leben, bei denen es zwielichtig oder sogar finster ist. Herzlichen Dank, für diese wertvolle Botschaft gerade in der aktuellen Situation.